Griechenland Zerbrochene Freundschaften

Die Griechenland-Krise und die Reaktionen darauf belasten auch die hier lebenden Griechen. Der Vorstand der griechischen Gemeinde in Deutschland muss sich derzeit einiges anhören.

 

Nikolaos Michos engagiert sich seit Jahrzehnten bei der Freiwilligen Feuerwehr und ist CDU-Stadtverordneter. Fotograf: Sascha Rheker/attenzione

Die Deutschen scheinen in den vergangenen Jahren zu wahren Griechenland-Experten geworden zu sein. Kaum Nachrichten ohne Aufmacher aus Athen, kaum ein Gespräch unter Bekannten ohne Hinweis auf die Finanzkrise. Nikolaos Michos aus Neu-Isenburg, Vorstand der griechischen Gemeinde in Deutschland, muss sich da vieles anhören. „Faul, dumm, verbrecherisch und alles Steuerhinterzieher“ seien die Griechen, sagen ihm die Leute.

 

„Ich ertrage viel Kritik, und sie ist mir grundsätzlich auch sehr willkommen, aber wenn die Leute ständig böswillig oder ironisch sind, kann man das irgendwann nicht mehr aushalten“, sagt der 50-jährige studierte Informatiker, der im Vorstand der griechischen Gemeinde in Deutschland sitzt. „Durch die Krise sind wir in den Augen anderer Nationen nach unten gerutscht.“

 

Sein ganzes Arbeitsleben hat Michos in Deutschland verbracht. Seine Kinder sind hier geboren und fühlen sich mehr als Deutsche denn als Griechen, der Jüngere will sich bei der Bundeswehr verpflichten. Seit genau 25 Jahren lebt der gebürtige Grieche in Neu-Isenburg, das ihm längst Heimat geworden ist.

 

Belastung im Alltag

 

Der vielleicht bekannteste Migrant der Stadt ist einer zum Vorzeigen, nicht nur bei der Feuerwehr, wo er sich seit 1992 ehrenamtlich engagiert, sondern auch bei der CDU, für die er seit 2001 in der Stadtverordnetenversammlung sitzt. „Ich wollte nie nur ein passiver ausländischer Mitbürger sein, sondern mich in meiner Stadt einbringen“, sagt er.

 

Die Krise tangiert die in Deutschland lebenden Griechen nicht nur, weil jeder Verwandte und Freunde in der alten Heimat kennt, deren Leben am Rande eines Staatsbankrotts aus dem Lot geraten ist, sondern es belastet sie auch in ihrem Alltag, wie Michos erzählt. Als Vorstand der griechischen Gemeinde muss er sich vieles anhören. Es sind Geschichten über nach Jahrzehnten zerbrochene Freundschaften zwischen Griechen und Deutschen, vom bösen Nachbarschaftsstreit, dessen Ursache nicht die Kehrwoche, sondern die Finanzkrise ist, und von griechischen Lokalen, die von den deutschen Besuchern boykottiert werden. „Viele mussten schon schließen“, sagt er resigniert.

 

Einige Landsleute berichten ihm selbst im als so tolerant geltenden Rhein-Main-Gebiet von Problemen mit Arbeitskollegen, sogar Schikanen. „Manche haben sogar gekündigt, weil sie es nicht mehr ertragen haben. Die Leute können sich nicht dagegen wehren. Es ist enorm schlimm, was da bundesweit abgeht.“ Wahrgenommen werde das in der Öffentlichkeit aber kaum. „Ich hoffe sehr, dass es wieder besser wird, nicht nur in Griechenland, sondern auch hier“, sagt Michos.

 

Und er kommt ins Erzählen über Griechenland, wo dem Vater, einem Polizisten, die Pension auf 800 Euro halbiert wurde, als er mit 65 Jahren in Rente ging, von der Mutter, die schwer krank keine Medikamente mehr kaufen konnte, weil der Bankautomat kaum noch Bargeld hergab. „Die Preise sind dort selbst für griechische Lebensmittel deutlich höher als in Deutschland“, sagt er. „In den Kirchen stehen die Leute Schlange für einen Teller Essen.“

 

Ehrenamt als Ausweg

 

Hadert er denn angesichts der Lage in Griechenland manchmal mit seinen Parteifreunden von der CDU? „Ob das dritte Hilfspaket in allem richtig ist, kann ich nicht sagen“, meint er. „Aber ich finde richtig, was Merkel und Schäuble gemacht haben. Ohne den Druck von Schäuble wäre das Land woanders gelandet. Ich würde mir aber wünschen, dass sie kompromissbereiter bei den Sparmaßnahmen sind.“

 

Wichtig seien jetzt Investitionen. „Es ist gut, dass die Fraport jetzt 14 griechische Flughäfen übernimmt. Das bringt das Land voran. Hoffentlich kommt damit auch deutsche Mentalität bei der Arbeitsweise oder bei den Sicherheitsvorkehrungen. Der Service ist bisher schlimm. Es gibt ja durchaus Interesse. Hochtief hat den Athener Flughafen übernommen, die Deutsche Telekom die griechische, und ein Chinesischer Konzern investiert fünf Milliarden Euro in Piräus.“

 

Ein Weg aus der Krise wäre aber vielleicht auch das Ehrenamt, ein Bereich, in dem sich Michos selbst ja bestens auskennt. Seit Jahren hilft er in Griechenland beim Aufbau einer freiwilligen Feuerwehr nach deutschem Vorbild. Die Stadt Neu-Isenburg hat dazu schon mehrere alte Feuerwehrautos gestiftet. „Mittlerweile gibt es auch dort immer mehr Freiwillige“, sagt er. „Wenn jeder Grieche nur eine Stunde im Ehrenamt arbeiten würde, wäre das ein großer Beitrag.“